Salo

Wir wollten ihr doch noch das Meer zeigen!

Ich kanns nicht begreifen, überhaupt nicht fassen, was in den nicht mal 48 Stunden passiert ist!
Schnuppes und ich sind nun wieder zu Zweit!

Ich sitze hier in der Küche an der Heizung und der Platz neben mir ist frei. Es war Salo´s Platz und er wird auch frei bleiben... Sie kommt nicht zurück! Sie ist gegangen für immer! Unfassbar, nicht zu begreifen! Mein tapferes Mädchen hat ihren letzten Kampf verloren! Es scheint, als wäre sie Chancenlos gewesen. Damit sie den letzten Weg mit Stolz und Würde gehen konnte, haben wir ihr geholfen eine Abkürzung zu nehmen. So wie es immer ihre Art war!
Wenn ihr die Runde nicht passte, hat sie scheinbar Schritte gezählt und verließ dann gerne den Weg, um nur 5 Schritte einzusparen. Normal blieb Madame immer auf dem Weg, nur nicht die Füße nass oder dreckig machen. Sie hatte ihre Prinzipien, keine nassen oder dreckigen Füße, gehörten dazu.
Saß ein Kaninchen im Busch, hat sie dieses auch mal schnell über Bord geworfen. Kack egal, da kam der Selbstversorger durch! 5 Jahre in den Bergen Rumäniens lassen sich nicht einfach so weg wischen.
Ich glaube, sie hatte ein gutes Leben. Ja, dass glaube ich wirklich! Es mag hart gewesen sein, aber es war ihr Leben. Sie war sicherlich eine sehr gute Mutter, für zahlreiche Puppys. Sie war streng, aber immer fair und gerecht. Und sie wusste wo sie klopfen musste und eine extra Ration Futter abzustauben.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als wir das erste Mal Rumänien besuchten, nach ihrer offiziellen Ausreise. Und wir dann Bogi besuchten, also dort hin fuhren wo sie früher gelebt hat. Mir war schon recht mulmig zu Mute, konnte ich doch gar nicht einschätzen, wie sie auf ihre alte Heimat reagieren würde.
Sie erkannte die kleine Straße sofort, die in den Bergen und Wiesen endete. Sie saß mit Katré und Sam hinter uns wurde ganz aufgeregt, quietschte, kratze an den Türen. So hatte weder Sabine noch ich Salo jemals erlebt. Diese doch sehr ruhige, besonnene und in sich gekehrte Hündin. Sie wusste wo sie war, ganz genau. Sie freute sich über Bogi und als bei den Nachbarn das Gartentürchen aufging wusste sie auch gleich , was zu tun ist. Hin!!! Da gabs was leckeres und richtig, Hühnerherzen, gab es als Wiedersehensgeschenk. Wie sich diese Herrschaften freuten, Salo wieder zusehen, unbeschreiblich. Auf Grund von Corona war dies leider das einzige Wiedersehen.
Danach ging es den Berg hinauf, auf der anderen Seite war Salo zuhause gewesen. Mit jedem Schritt wurde sie ein Stückchen größer, mit jedem Meter nahm sie eine stolzere Haltung ein. Oben angekommen dauerte es nicht lange und wir waren umringt von 8-10 Herdis. Salo´s alter Truppe! Katré, Sam und auch Burki wollte nur noch den Rückzug, zu bedrohlich war ihnen die Situation. Und dann stand sie da, mein Mädchen, erhobener Kopf, hochtragende Rute, brummend und bellend mit einem Sound, ich kann euch sagen. Verdutzt schauten wir 2beiner uns an, konnten es nicht glauben. Keiner hatte bis dahin Salo bellen gehört und niemand hätte geahnt, dass sie solche Töne raushauen könnte. Salo´s 4beinige Begleitung hielt brav die Klappe, nix mit Gruppendynamik, nix mit: wir haben zwar keine Ahnung, machen aber mal mit. Das war ganz und allein Szallonás Moment. Ich hätte gern gewusst, was sie den Jungs und Mädels da alles an den Kopp geworfen hat.
Ich wüsste es auch heut noch gern, zu bewegend war dieser Moment.
Jetzt hatte ich echt Muffe, ob sie wieder mit uns ins Auto steigen würde oder ob sie Anstalten machen würde dort zu bleiben. Aber als ob nichts gewesen wäre, stand sie als Erste an der Autotür, Blick nach hinter, so wir können jetzt fahren, es ist alles gesagt.

Keine 2 Jahre waren uns gegönnt, waren ihr gegönnt... Salo brauchte ihre Zeit um sich an Neues zu gewöhnen. Was hat sie sich anfangs mit Umstellungen kleinster Art schwer getan. Das mag an ihrem selbst bestimmten Leben gelegen haben, an ihrer Persönlichkeit, an ihrem Stolz, dem man ihr genommen hatte, als sie angeschossen wurde und nicht mehr so konnte, wie sie eigentlich gerne wollte.
Als ich sie in Rumänien kennenlernte, war sie sehr in sich gekehrt, ein graues Mäuschen, da fehlte der Glanz in diesen wunderschönen Augen.
Ha, da fällt mir ein, wie ich Sabine gesagt hatte: Ich will diesen Hund nicht sehen, nachdem ich sie auf der Homepage entdeckt hatte und wusste, die kann mir gefährlich werden, wenn ich sie einmal live und in Farbe gesehen habe. Sabine lachte und sagte, an Salo führt kein Weg vorbei, sie lebt am Haus! Scherzes halber sagte ich, dann zieh ihr eine Papiertüte über den Kopf, ich will ihr nicht in die Augen sehen.
Meine damaligen Lebensumstände ließen es nicht zu, an einen Zweithund zu denken. Doch ich konnte ein Sprungbrett sein, wir konnten es sein. Sam kam gut mit Salo zurecht. Sie nicht zu aufdringlich und er einfach da.
Als sie in Leverkusen aus dem Sprinter gestiegen ist, brach für sie eine Welt zusammen. Man sah es in ihren Augen. Riesengroß und voller Angst. Dann sah sie Sam neben dem Sprinter stehen. Auch so ein Augenblick, der noch so verdammt nah erscheint, als sei es gestern gewesen. Die aufgerissenen Augen verkleinerten sich und sie schien tief durchzuatmen, oh mein Gott, den kenne ich.
Sam´s Blick werde ich auch nicht vergessen, ist das jetzt dein ernst? Die zieht bei uns ein? Hoffentlich ist die bald wieder weg! Übrigens den Blick hatte Salo auch schnell drauf, wenn es irgendwie so aus sah, als würde ein andere Hund bei uns einziehen. Sam muss gepetzt haben!
Salo hielt sich an Sam, er war ihr Rettungsring in der Fremde. Ohne ihm zu nahe zu kommen, ohne ihn zu belästigen. Eindrucksvoll, wie die Beiden die ersten Tage meisterten und wie Sam es schaffte sie zu öffnen, so dass ich einen Zugang zu ihr fand.
Dann begann unser Siegeszug, wie erobere ich mein neues Leben, wie erobern wir zusammen Salo´s neues Leben.
Was hat dieser Hund mir für ein Vertrauen geschenkt?! Unglaublich! Überall ging sie mit mir hin, wirklich überall. Anfangs noch mit einem fragenden Blick an Sam, doch schnell braucht sie auch ihn nicht mehr.
Dann war es anders herum. Sam hatte zwischenzeitlich eine ganz heftige Panikphase. Da war Salo für ihn da und man konnte es nicht glauben, auch körperliche Nähe wurde da von beiden gesucht und akzeptiert.
Für Außenstehende lebten die Beiden gut zusammen, aber wer richtig hingeguckt hat, hat gesehen, wie gut sich die Beiden ergänzten und wie eng sie miteinander verbunden waren. Ich hatte wirklich schwere Zeiten in den letzten Jahren, doch die Beiden zusammen zusehen, erfüllte mein Herz mit solch einem Glück und Stolz, dass es nicht wirklich in Worte zufassen ist.
Der Kasper und Frau Vernünftig! Unbeschreiblich!
Immer mehr legte Salo ihre Fesseln ab, die sie in sich gefangen hielten. Sie wälzte sich und man durfte ihr dabei zugucken. Sie trug Spielzeug durch die Gegend und irgendwann spielt sie auch und man durfte sie dabei beobachten und sogar mitspielen. Später erkannte man es an ihrem Gesichtsausdruck, wenn sie lustig sein wollte. Mit der Aufforderung, na, ist die Salo lustig? Wurde sie richtig albern und alle Vernunft die sonst so ausstrahlte, war für ein paar Minuten wie weggeblasen.
Mich verzückten, was ein kitschiges Wort, diese Moment immer total. Mich freute es so wahnsinnig sie so zu sehen! Diesen Wandel mitzuerleben, wie aus diesem ernsten, vernünftigen Hund, so ein lustiges, lockeres und lebensfrohes Wesen geworden ist. Unbezahlbar!
Mit fremden Menschen tat sie sich immer noch schwer und Jubel, Trubel, Heiterkeit waren nicht so ihr Ding. Sie machte es mit, brauchte aber ganz klar ihren Platz, ihren Abstand, Sam und mich.
Tja, irgendwann dachte man nicht mehr darüber nach, dass sie ja nur ein Pflegehund ist. Sie wurde rasant schnell ein Teil von uns! Und da auch Anfragen für sie ausblieben, war dann irgendwann/irgendwie klar, dass sie ein Teil von uns bleiben wird.
Das dieser Teil uns so schnell wieder genommen wird, konnte keiner ahnen.
Ich Danke BP, dass ihr uns eine Dauerpflegestelle angeboten habt. Das dieses einzigartige Mädchen bei uns hätte alt werden dürfen.

Mein Mädchen, mein tapferes Mädchen und ich bedanke mich bei dir, von dir habe ich so unendlich viel gelernt. Du Freigeist, mit dem Spiegel in der Pfote, den du mir gerne mal voll ins Gesicht gehalten hast! Ich bin so unendlich stolz auf dich, wie du dein neues Leben hier angenommen hast, wie du tapfer gekämpft hast, um wieder gut laufen zu können. Wie geduldig du gewesen bist, wenn ich dir wieder mal eine Nervensäge vor die Nasen gesetzt habe und was du mir für ein Vertrauen geschenkt hast, dass ich dich auch bald wieder davon befreien würde.
Glaubt mir, beim ersten Mal, konnte ich sie noch gerade so vom Auszug abhalten.

Szalonnás, du Schinken-Diebin, du wirst nach Hause zurückkehren! Ein Teil wird bei mir und Sam bleiben! Aber der Wilde, der Freigeist wird nach Rumänien zurückkehren. Auf den Berg, deines Ursprungs, der dich zu dem wundervollen Wesen gemacht, das ich kennen lernen durfte. An den Ort, an dem du uns gezeigt hast, was du für einen Stolz mit dir trägst und wie tapfer du dich deinem Leben gestellt hast.

Es ist alles nicht zu begreifen, dass du nicht mehr bei uns bist! Es ging alles viel zu schnell, um es greifen zu können. Selbst der Abschied ging viel zu schnell! Aber ich wollte dich nicht länger so in den Armen halten, nur noch ein Schatten deiner selbst. Du solltest noch mit Würde gehen und das haben wir geschafft. Ich weiß, du wärst mit mir noch überall hingegangen, ich habe es gesehen... Aber unser gemeinsamer Weg war zu Ende!

In ewiger Freundschaft und Vertrauen